Das Corona-Virus und mein Pferd: Antworten auf die wichtigsten Fragen
Das neuartige Corona-Virus stellt Pferdebesitzer vor große Herausforderungen: Wie gelingt gute Stallarbeit trotz Social Distancing? Wie gelingt gute Fütterung bei meinem Pferd, wenn das Training ausfällt? Kann ich das Corona-Virus auf mein Pferd übertragen oder umgekehrt bzw. übertragen die Tiere untereinander? Wir beantworten die dringendsten Fragen.
Geschrieben von Dr. med. vet. Caroline Fritz
Kann ich das Training meines Sportpferdes einfach aussetzen?
Nein. Auftrainierte Sportpferde, die in der diesjährigen Wettkampfsaison hätten starten sollen, erwarten mit hoher Wahrscheinlichkeit bei plötzlichem Trainingsstopp negative gesundheitliche Effekte. Neben Muskelrückbildung, droht der empfindliche Stoffwechsel des Pferdes aus dem Gleichgewicht zu geraten.
Kann ich trotz Trainingsstopp die Futterration beibehalten? Oder sollte ich sie auf Null setzen?
Bei gleicher Futterration aber fehlendem Training oder komplett eingestellter Bewegung entsteht ein Überschuss an Energie, Protein und ggf. Fett. Die Folgen können von Fetteinlagerung als Langzeitspeicherform von Energie bei Überversorgung bis hin zur Fütterungsrehe durch zu viele leichtverdauliche Kohlenhydrate oder einen Überschuss an Protein reichen.
Setze die Futtermenge aber umgekehrt auch nicht auf Null, sonst kann es zu Abmagerung als Folge von Muskelatrophie und einem Mangel an Nährstoffen kommen, was ebenfalls gesundheitsschädlich ist. Fehlt bspw. Selen, kann die Muskulatur unter Umständen langfristige Schäden davontragen. Zudem können Zink-, Mangan- oder Vitamin-D-Mangel Schäden an Haut und Horn hervorrufen oder eine nicht ausreichende Mineralisierung des Skeletts zur Folge haben.
Wie passe ich Training und Fütterung an?
Was das Training betrifft, solltest Du dieses schrittweise runterfahren. Ziel ist unter den aktuellen Gegebenheiten nicht der Aufbau von Muskelmasse, sondern die Erhaltung der Körpersubstanz (Gleichgewicht von Anabolismus und Katabolismus).
Was die Futterration betrifft, gestalte diese so, dass der Erhaltungsbedarf des Pferdes mit verdaulicher Energie, Protein, Fett, Spuren- und Mengenelementen sowie Vitaminen gedeckt ist. Wie sich dieser Bedarf gestaltet, ist unter anderem hier bei LfL nachzulesen.
Was ist bei Sportpferden unterschiedlichen Alters zu beachten?
Ist Dein Sportpferd mittleren Alters und befindet sich im Wettkampftraining, muss jedoch eine Trainingspause hinnehmen, kannst Du ggf. auf Zusatzfutter zum Muskelaufbau ebenfalls pausieren. Dies ist ratsam, wenn Dein Tier bei gleichbleibender Ration und wenig Trainingseinheiten innere Unruhe oder Anzeichen von Nervosität zeigt.
Handelt es sich um ein Jungpferd, das sich gerade im Muskelaufbau befindet, solltest Du darauf achten, dass die bereits angebildete Muskelmasse unbedingt erhalten bleibt. Denn bei Jungpferden muss sich der Bewegungsapparat noch entwickeln, wobei Muskelaufbau und Bewegung eine entscheidende Rolle spielen. Hier können Ergänzungsfuttermittel für den Muskelaufbau also sehr wertvoll sein, absetzen solltest Du sie nicht.
Wie gestalte ich mein Training in Zeiten von Corona?
Je nach Alter, Ausbildungs- und Trainingszustand sind gymnastizierende Einheiten (z.B. Cavalletti-Arbeit, viele Dehnungsübungen reiten, Freispringen, Stangenarbeit, Trail, Bodenarbeit, Dualaktivierung etc.) wichtig, damit die Muskulatur des Pferdes nicht versteift. Für neue Lektionen ist jetzt außerdem nicht der optimale Zeitpunkt, vertiefe lieber bereits Gelerntes und rufe kürzlich dazugelernte Lektionen öfter ab, um am Feinschliff zu arbeiten.
Wie sieht ein Futter- und Bewegungs-Notfallplan aus?
Das kommt ganz darauf an, was die Reitanlage zu bieten hat, in der Dein Pferd untergebracht ist.
Zum Futter: Neigt die Muskulatur des Pferdes zu Verspannung oder Versteifung, kann eine Unterstützung mit antioxidativen Substanzen (Vitamin C und E, Selen, Leucin) Abhilfe schaffen. Leckerlis und Saftfutter sollten bei einem Trainingsstopp zurückfahren werden.
Neigt Dein Tier zu Unfällen, ziehe in Betracht, energiereiche Futtermittel zu reduzieren. Bei Härtefällen kannst Du auch mit Produkten arbeiten, die Dein Pferd durch Stress- und Unruhezeiten helfen.
Zur Bewegung: Täglicher, freier Auslauf ist unerlässlich und sollte auch in diesen Zeiten gemäß den Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten täglich selbstverständlich sein (mehr Infos hier beim Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft). Die Gestaltung der Trainingseinheiten kann vielfältig sein und gerade jetzt Abwechslung bieten, ohne dabei das Verletzungsrisiko für Pferd und Reiter unnötig zu erhöhen. Ist das Pferd an Führanlage, Bodenarbeit, Freispringen, Cavaletti-Training, Ausritt als Handpferd oder Stangenarbeit gewöhnt, stehen eine Vielzahl von Möglichkeiten bereit, das Trainingsprogramm durchaus facettenreich zu gestalten.
Wie sollte ich mich als Halter verhalten und wie kann ich helfen, die Stallarbeit in Zeiten von Corona zu organisieren?
Korrektes Händewaschen mindestens 30 Sekunden lang (notfalls in Gedanken mitzählen), idealerweise Einmalhandtücher zum Abtrocknen verwenden, hygienische Händedesinfektion (ebenfalls 30 Sekunden – dabei nicht den Handrücken, die Fingerzwischenräume, den Daumen und die Fingernägel vergessen), mit möglichst wenig anderen Personen zeitgleich im Stall aufhalten, Gespräche nur mit mindestens zwei Metern Abstand führen, Mindestanzahl von Reitern für Reithalle oder Reitplatz festlegen (je nach Größe maximal fünf Reiter), die Aufenthaltsdauer im Stall auf das Notwendigste reduzieren (unnötig lange Verweildauer vermeiden), ggf. einen Aufenthaltsplan für verschiedene Personengruppen zeitlich versetzt erstellen – all das sind rücksichtsvolle Maßnahmen, die jeder selbst zur Risikominimierung ergreifen kann. Wenn Du jemand anderen Dein Pferd mitbetreuen lassen kannst, um Dir einen Besuch zu sparen, denke darüber nach, diese Option zu ziehen.
Entwickle schon jetzt einen Backup-Plan, auch wenn Du gesund bist. Solltest du dich ggf. in Quarantäne begeben müssen, ist das Verlassen des Zuhauses für mindestens zwei Wochen nicht mehr möglich.
Ist eine Übertragung von SARS-CoV-19 vom Menschen auf das Pferd oder andere Haustiere möglich?
Zwar gibt es beim Pferd, wie auch bei anderen Haustieren, Coronaviren die auch derselben Virusfamilie entstammen wie SARS-CoV-19, welche allerdings eine andere Symptomatik beim Pferd aufweisen und selten eine tödlich verlaufende Erkrankung auslösen (Prof. Dr. Nicola Pusterla von der Universität Kalifornien, Davis, USA). Das Equine Coronavirus befällt vielmehr den Magen-Darm-Trakt von Pferden. Krankheitsanzeichen, die für eine Coronainfektion sprechen können, äußern sich meist in Appetitlosigkeit, Koliken oder Durchfall und gehen meist mit hohem Fieber einher.
Aktuell gibt es laut Friedrich-Löffler-Institut keine Belege dafür, dass das neuartige humane Coronavirus COVID-19 auf Pferde übertragbar bzw. potentiell gefährlich für sie ist. Zudem gibt es auch laut WHO und dem European Centre for Disease Control (ECDC) derzeit keine Hinweise darauf, dass Haustiere mögliche Überträger des Virus für Menschen darstellen. Mehr dazu hier.
Ein ausführliches Interview zu dieser Thematik mit mir findet ihr übrigens hier.